Ein Tal und zweierlei Glauben
Das war eine hochinformative, kurzweilige GESCHICHTSSTUNDE von DDr. Peter Wiesflecker im gut besuchten Schlosshof zur Hochsommerzeit.
Der renommierte Referent widmete sich einem Thema, welches bisher in der Darstellung der Geschichte unseres Tales weniger Beachtung gefunden hat. Peter Wiesflecker warf konfessionelle Streiflichter auf das Gailtal von der Reformation bis ins 21. Jahrhundert.
Die neue evangelische Lehre fand bereits wenige Jahre nach Luthers Thesenanschlag an der Schlosskirche von Wittenberg auch in unserem Tal rasche Verbreitung und großen Zulauf, nicht nur bei den damaligen Eliten, sondern auch unter der Landbevölkerung. Davon waren auch die Geistlichen vor Ort nicht ausgenommen. Eheähnliche Verhältnisse waren auch in den Pfarrhaushalten des Gailtales des 16. Jahrhunderts keine Ausnahme. Gegen Ende des Jahrhunderts war nahezu das gesamte Tal evangelisch. Darauf reagierte nicht nur die Kirche, sondern auch die staatliche Obrigkeit. Die Durchsetzung des katholischen Glaubens unter dem damaligen Landesfürsten Ferdinand II. (reg. 1595 bis 1637) erfolgte daher nicht nur mit der Macht des Wortes, sondern auch mit dem Schwert. Eine „Reformationskommission“ unter dem steirischen Bischof Martin Brenner zog mit militärischer Bedeckung durch das Land. Stieß man auf Widerstand ging man scharf vor. Evangelische Prediger wurden vertrieben, evangelische Bücher verbrannt. Die Durchsetzung der Gegenreformation schuf einerseits den spezifischen österreichischen Barockkatholizismus mit seiner Volksfrömmigkeit, andererseits drängte sie evangelische Christen, so sie nicht das Land verließen, in den Untergrund, wo sie durch mehr als 150 Jahre ihren Glauben im Geheimen lebten und weitergaben, ständig der Gefahr ausgesetzt, entdeckt und bestraft zu werden.
Wie sich der religiöse Alltag dieser sog. „Geheimprotestanten“ gestaltete wird ebenfalls Thema des Vortrags sein, ebenso der Weg zur freien Glaubensausübung durch das Toleranzpatent Kaiser Josephs II. (1781). Der Auf- und Ausbau einer Pfarrstruktur im Tal, der Bau von Bet- und Gotteshäusern war schwierig. Es allmählich wurde aus dem konfessionellen Gegeneinander vorerst ein Nebeneinander und schließlich ein Miteinander von katholischen und evangelischen Christen. Prominentes Beispiel für die evangelischen Christen des Tales ist Georg Essl I. (1861–1940). Er setzte sich maßgeblich für den Bau der evangelischen Kirche in Hermagor (1926) ein. Seine Sammlungstätigkeit gingen bildet im Übrigen den Grundstock die heutigen musealen Sammlungen des GailtalMuseum hervor, zu dessen besonderen Exponaten auch die Lutherbibel, gedruckt von Hans Lufft zu Wittenberg aus dem Jahr 1541 gehört.
Priv.-Doz., Mag. DDr. Peter Wiesflecker, MAS, LL.M, MA; gebürtig aus Feistritz an der Gail; Absolvent des Bundesgymnasiums Tanzenberg; Studien der Geschichte, Rechtsgeschichte, Geschichtsforschung, Archivwissenschaft und des Kirchenrechts in Wien sowie der Religionswissenschaften in Graz; seit 1998 wissenschaftlicher Beamter der Steiermärkischen Landesregierung; Leiter der Sondersammlungen des Steiermärkischen Landesarchivs, 2013 Habilitation für Österreichische Geschichte an der Universität Graz, Privatdozent an der Universität Graz sowie Lehrbeauftragter an den Universitäten Wien und Klagenfurt und an der Philosophisch-Theologischen Hochschule „Papst Benedikt XVI.“ in Heiligenkreuz; Mitglied der Historischen Landeskommission für Steiermark, des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung und des Beirats des Geschichtsvereines für Kärnten; Forschungsschwerpunkte (mit über 500 Veröffentlichungen): Steirische und Kärntner Landesgeschichte, Adelsforschung, Kirchengeschichte, Kirchenrecht und Archivwissenschaft.